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Hugo Chávez will den Sieg - koste es, was es wolle

von Hero Buss

San José - Betrügereien sollen Venezuelas Präsidenten vor der Amtsenthebung bewahren. Eine sensationelle politische Wende in letzter Stunde? Fast drei Jahre lang, bis zum vergangenen Juni, dümpelten Präsident Hugo Chávez und seine Regierung der "bolivarianischen Revolution" in der Gunst der venezolanischen Wähler um 30 Prozent Zustimmung. Jetzt, eine Woche vor dem Referendum, das über den Verbleib des Staatschefs im Amt entscheidet, sagen zwei Umfragen von US-Instituten zwischen Regierung und Opposition ein Kopf-an-Kopf-Rennen voraus, die Demoskopen der Revolution sehen ihren Chef gar um zwölf Prozentpunkte vorn. Der jubelte: "Am 15. August landen wir einen K.-o.-Sieg!"

Doch ob Chávez kippt oder bleibt, für einen Rekord hat er bereits gesorgt: Noch nie in der Geschichte lateinamerikanischer Demokratie hat eine Regierung versucht, mit so vielen Tricks und Manipulationen einen Volksentscheid zu eigenen Gunsten zu beeinflussen wie jetzt in Venezuela. Höchst peinlich wäre eine Niederlage für den Comandante allein schon deshalb, weil er dann Opfer einer eigenen Erfindung würde.

1999 verpasste er Venezuela eine "bolivarianische" Verfassung, die festschrieb, dass nach Ablauf der Hälfte der Amtszeit alle Mandatsträger, vom Gemeinderat bis zum Präsidenten, sich einem Referendum stellen müssen, wenn dies 20 Prozent der Wahlberechtigten mit ihrer Unterschrift fordern. Chávez: "die demokratischste Verfassung der Welt". Drei Mal sammelte die Opposition die notwendigen Signaturen. Beim ersten Mal stellte die Chávez ergebene Oberste Wahlbehörde (CNE) "Formfehler" fest, beim zweiten Mal "verdächtige Ähnlichkeiten" bei mehr als einer Million Schriftzügen.

Der Staatspräsident höhnte, Banker und "Oligarchen" hätten ihre "Lohnlisten kopiert". Als dann auch die dritte Aktion ein aus Regierungssicht negatives Ergebnis brachte, erkannte die CNE das Ergebnis erst nach massivem Druck der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) und des Jimmy-Carter-Zentrums für Menschenrechte an. Wahlbeobachter beider Organisationen hatten sehr genau mitgezählt und die Täuschungsmanöver aus dem Umkreis des Präsidenten entlarvt.

Wann sollte nun abgestimmt werden? Die CNE entschied sich für den letztmöglich Termin am 15. August. Vier Tage später jährt sich Chávez' Amtsantritt zum viertel Mal. Liegt bis dahin kein "offizielles" Ergebnis vor, sind nach dem Grundgesetz keine Neuwahlen mehr möglich, sondern der Vizepräsident übernähme für die restlichen beiden Jahre die Amtsgeschäfte.

Ideenreichtum auch bei der technischen Abwicklung. Venezuelas Regierung kaufte bei einem US-Unternehmen, an dem sie eine Minderheitsbeteiligung hält, 20 000 elektronische Wahlmaschinen mit Ja- und Nein-Knopf. Erst nach langem Hin und Her willigte sie ein, dass eine Papierkopie (wie bei Bankautomaten) jeden Abstimmungsvorgang zusätzlich dokumentiert. Und die jüngste Idee im Hindernisrennen zur möglichen Abwahl des Präsidenten: Nach Knopfdruck und Eingabe der Kopie in eine Urne müssen die Wähler an Spezialmaschinen ihren Fingerabdruck überprüfen lassen. Bei allen bisherigen Wahlen reichte die Vorlage des Personalausweises. Bei einer durchschnittlichen Dauer dieser Prozedur von vier Minuten könne nur ein Drittel der Wahlberechtigten ein gültiges Votum abgeben, rechnete die Opposition aus.

Beim Griff in die Trickkiste entwickelten sich die venezolanischen Revolutionäre zu Serientätern. Beispiele: Im Schnellverfahren stattete die Regierung in den vergangenen drei Monaten mehr als zwei Millionen bislang undokumentierte Landsleute mit Personalausweisen aus und ließ sie ins Wahlregister eintragen. Ebenso hurtig wurden 600 000 Kolumbianer, die bis dahin illegal im Land lebten, eingebürgert und flugs mit venezolanischen Papieren ausgestattet.

Im Ausland lebende Venezolaner, mit großer Mehrheit Chávez-Gegner, dürfen nur in den Konsulaten abstimmen, wenn sie sich legal im Gastland aufhalten. Die meisten von ihnen leben illegal in den USA.

Ausländische Wahlbeobachter wollte die CNE zunächst nur zulassen, wenn sie sich an (bis vor zwei Wochen vor dem Referendum nicht formulierte) "Spielregeln" hielten und vorab ankündigten, welche Wahllokale sie besuchen wollten. Die EU verzichtete daraufhin auf Entsendung von Beobachtern. Das Carter-Zentrum und die OAS harren dagegen aus. Ihnen wurde schließlich freier Zugang zu den Abstimmungslokalen zugesichert.

Tausende Oppositionelle klagten, man habe ihnen ohne vorherige Konsultation oft weit vom Wohnort entfernte neue Wahllokale zugeteilt. Fast eine Million erzwungener "Umzüge" will die Opposition im Wahlregister festgestellt haben. Besonders betroffen seien die von oppositionellen Gouverneuren regierten Teilstaaten.

Dass Hugo Chávez in den letzten Monaten mit illegal vom staatlichen Erdölkonzern PDVSA abgezweigten zwei Milliarden Dollar im ganzen Land Wahlgeschenke bei Parteifreunden verteilt und täglich durchschnittlich mindestens eine Stunde lang Radio- und Fernsehstationen für Eigenwerbung gleichschaltet und so für Propaganda-Zwecke nutzt, sind weitere Beschwerden der Opposition.

Es scheint, als gäbe es nichts, was Venezuelas Revolutionäre dem Zufall überlassen wollen. Selbst bei der Formulierung der Abstimmungsfrage gaben sich die Herren Genossen sehr große Mühe. Abgesegnet wurde schließlich folgender Text: "Sind Sie damit einverstanden, das Volksmandat des Bürgers Hugo Chávez Frias als Präsident der Bolivarianischen Republik Venezuela, erworben durch demokratische legitime Wahlen, für die aktuelle Amtszeit außer Kraft zu setzen?"

Artikel erschienen am Mo, 9. August 2004



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